An einer Autobahnraststätte auf der Fahrt in den Urlaub verschwindet
Saskia, die Freundin des Niederländers Rex Hofman spurlos. Jahre später hat
er Ihren jähen Verlust noch immer nicht verwunden und startet eine große
Anzeigenkampagne, umd herauszufinden, was damals mit ihr geschah. Da meldet
sich ein Mann bei ihm mit dem Angebot, ihm die Hintergründe für Saskias
Verschwinden zu offenbaren, wenn er sich darauf einläßt, daß er ihr Schicksal teilt...
So läßt sich der Inhalt von Tim Krabbés Erzählung Das goldene Ei in
wenigen Worten zusammenfassen. Doch es ist in Wahrheit die Geschichte einer
Frau, die schon als kleines Mädchen den Traum träumte, eingeschloßen in
einem goldenen Ei durch das Weltall zu fliegen, in einer Schwärze ohne
Sterne, ohne Ausweg und ohne Möglichkeit zu sterben, mit nur einer einzigen
Hoffnung: es flog noch ein anderes goldenes Ei durch den Raum, und wenn sie
zusammenstießen, wären beide zerstört und alles vorbei.
|
Es ist die
Geschichte eines Mannes, der einen einmal gefaßten Gedanken bis zur
grausamsten Konsequenz zu Ende führen muß, ob als Junge, der von einer
Mauer springt oder Jahre später als er, nachdem er eben ein Kind vor dem
Ertrinken gerettet hat, sich die Frage stellt, ob er auch zur völlig
entgegengesetzten Tat fähig wäre, dem schlimmsten Verbrechen, das er sich
vorstellen kann. Und es ist die Geschichte eines weiteren Mannes, der nicht
vergessen kann, bis er eine scheinbar längst feststehende Entscheidung
nachvollzieht und sich auf den unumkehrbaren Weg macht ins zweite goldene
Ei.
Auf einem Autodach steht geschrieben: "Wenn ich dies schreibe, kommen
Kratzer in den Lack". Doch Rex liest: "Wenn ich dies schreibe, kommen
Kratzer ins Glück". Und er erinnert sich, wie er Saskia früher nachgesehen
hat, als sie mit dem Rad von ihm fortfuhr und er dachte: "Jetzt sehe ich
sie noch. Und jetzt auch noch. Und jetzt immer noch." Bis auch das letzte
Jetzt vergangen und sie verschwunden war.
|