Wie vielleicht Sylvia Plaths ganzes Leben zerfällt ihr einziger und autobiographischer Roman "Die Glasglocke" in zwei Teile: Lebenslust und Verzweiflung, die unbeschwerten Tage einer Zwanzigjährigen zwischen Partys und Männerbekanntschaften im New York der 50er Jahre und die tiefen Depressionen, die sie nach einem Selbstmordversuch schließlich in eine Nervenheilanstalt führen.
Sie sollte glücklich sein, Esther Greenwood (das Alter Ego Sylvia Plaths), die gemeinsam mit elf jungen Frauen und beneidet von so vielen anderen, ein Stipendium bei einer Modezeitschrift gewonnen hat und nun mit Veranstaltungen, Geschenken und Partys überhäuft wird. Doch schon im Trubel dieses Monats in New York zeigt sich einer der Hauptcharakterzüge Esther Greenwoods (und natürlich Sylvia Plaths), den sie selbst poetisch aufs Korn nimmt: ihr Leben kommt ihr vor wie ein verästelter Feigenbaum. Am Ende jedes Zweiges leuchtet eine mögliche Zukunft wie eine saftige Feige - eine berühmte Schriftstellerin, eine Professorin, eine treusorgende Mutter... Doch sie kann sich für keine Feige entscheiden, denn eine zu wählen heißt alle anderen aufzugeben. Und so sitzt sie unentschlossen vor dem Feigenbaum bis alle Feigen langsam verdorren.
Zurückgekehrt aus dem mondänen New York, das ihrem Leben doch nicht den erhofften Impuls gegeben hat, fällt Esther zu Hause in ein tiefes Loch. Alle Pläne zerrinnen ihr in den Händen, und mehr und mehr bestimmen die Gedanken an Selbstmord ihren Tagesablauf und lassen ihr schließlich keinen anderen Ausweg mehr als die Tat. Sie überlebt. In einer Nervenheilanstalt findet sie nur langsam wieder den Weg zurück ins Leben, als Fremde unter den anderen Patientinnen, unter Verfolgungswahn leidend wie unter panischer Angst vor der Elektroschocktherapie, ein Leben wie unter einer Glasglocke.
Als eine alte Schulfreundin aus dem College ebenfalls in die Klinik eingeliefert wird, spiegelt sich in ihr Esthers eigenes Befinden. Als die scheinbar stabilere Joan zu genesen scheint, hat Esther ihren Tiefpunkt. Doch am Ende bringt Joan sich um. Und Esther wagt wieder den Weg hinaus ins Leben, ihre Glasglocke öffnet sich. Nur für weitere zehn Jahre, ist man versucht hinzuzufügen, wenn man Sylvia Plaths Biographie betrachtet.